„Wir wollen mit unseren Baustoffen
Interview mit Ottmar Walter,
- Autor Conny Eck
- Schlagwort 3D-Druck
- Datum 06.01.2025
Heidelberg Materials setzt mit der globalen Marke evoBuild neue Maßstäbe für CO₂-reduzierte und zirkuläre Produkte. Die Marke steht im Einklang mit der Initiative „Grüne Leitmärkte“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und des Vereins Deutscher Zementwerke (VDZ), in deren Rahmen eine Definition für klimafreundliche Zemente sowie ein CO₂-Label für Zement entwickelt wurden.
Sowohl die Marke evobuild, als auch das dazu kompatible CO₂-Label der Initiative „Grüne Leitmärkte“ weisen CO₂-reduzierte Produkte anhand ihres CO₂-Fußabdrucks (Global Warming Potential) absolut transparent und nachvollziehbar als nachhaltig aus. Initiativen wie die „Grüner Leitmärkte“ sind entscheidende Impulse, um die Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten und die Dekarbonisierung der Zement- und Betonindustrie voranzutreiben. Ottmar Walter, Mitglied der Geschäftsleitung Deutschland bei Heidelberg Materials, erläutert gegenüber context die Hintergründe und die Bedeutung der Nachhaltigkeits-Strategie sowie die Rolle des Unternehmens in diesem industrieweiten Wandel.
context: Wie definiert Heidelberg Materials Nachhaltigkeit im Bauwesen?
Ottmar Walter: Wir wollen mit unseren Baustoffen ein Teil der Lösung sein und verfolgen bei Heidelberg Materials eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie. Die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen geben die Richtung vor, die wir mit unserer Nachhaltigkeitsstrategie einschlagen. Bis spätestens 2050 werden wir unsere CO₂-Emissionen auf Net Zero reduzieren. Mittelfristig setzen wir uns mit der Minderung der spezifischen Netto-CO₂-Emissionen auf 400 kg pro Tonne Zement bis 2030 das ambitionierteste Ziel der Branche. Dieser Zielwert entspricht einer Reduktion von 47 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 und liegt deutlich über dem zuvor für 2030 angestrebten Reduktionsziel von 33 Prozent im selben Zeitraum. Wir sind stolz darauf, hier das ambitionierteste Portfolio der Branche zu haben und eine Vorreiterrolle einzunehmen. Dafür entwicklen wir Zemente und Betone mit verbesserter CO₂-Bilanz, sowie Baustoffe mit Produkteigenschaften die einen geringeren Materialeinsatz begünstigen, und treiben die Kreislaufwirtschaft in unserer Wertschöpfungskette voran.
© Detlef Podehl
© Detlef Podehl
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Heidelberg Materials hat bereits den weltweit ersten Carbon Captured Net-Zero-Zement „evoZero“ eingeführt. Zusätzlich bündelt das Unternehmen jetzt alle CO₂-reduzierten und zirkulären Produkte unter der Marke „evoBuild“. Wie trägt das zur langfristigen Unternehmensstrategie von Heidelberg Materials bei?
Ottmar Walter: Als Treiber der Transformation wollen wir die Dekarbonisierung der Branche aktiv voranbringen. Dafür entwickeln wir Produkte und Technologien, die den Übergang zu einer klimaneutralen Bauweise erleichtern und gleichzeitig unseren Kunden einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Mit evoBuild wenden wir als erstes Unternehmen in der Baustoffindustrie weltweit einheitliche und klare Kriterien zur Kennzeichnung nachhaltiger Produkte an, was für mehr Transparenz gegenüber unseren Kunden und Stakeholdern sorgt. Mit unserem evoZero, dem weltweit ersten Carbon Captured Net-Zero-Zement, bieten wir unseren Kunden die bahnbrechende Möglichkeit, die gewohnte exzellente Performance unserer Zemente komplett CO₂-neutral einzusetzen. evoBuild und evoZero sind zentraler Bestandteil unserer Strategie, um die Bauwirtschaft in Richtung Klimaneutralität zu transformieren.
Sie sprachen bei evoBuild von einheitlichen und klaren Kriterien zur Kennzeichnung nachhaltiger Produkte. Wie sehen diese Kriterien aus?
Ottmar Walter: Um Teil des umfangreichen evoBuild-Portfolios zu werden, muss jedes Produkt strenge Anforderungen erfüllen: Für Zemente verlangt evoBuild eine CO₂-Reduktion von mindestens 30 Prozent gegenüber den globalen Referenzwerten der Global Cement and Concrete Association (GCCA) für CEM I von 2020. Bezogen auf das Treibhauspotenzial bedeutet das ein Global Warming Potential (GWP) ≤ 500 kg CO₂-Äquivalent pro Tonne Zement. Erst wenn Zemente diese Anforderung erfüllen, tragen Sie das evoBuild-Label. '
Jeder der evoBuild-Betone erfüllt hinsichtlich seines CO₂-Fußabdrucks (GWP) mindestens das Level 1 des branchenweit anerkannten CSC-Systems zur Klassifizierung nachhaltiger Betone. Das Kriterium CO₂-reduziert ist dabei erst dann erreicht, wenn der zertifizierte Beton hinsichtlich seines GWPs um mehr als 30 Prozent unter dem Branchenreferenzwert liegt. Die Eigenschaft eines hohen Recyclinganteils ist erfüllt, wenn der Beton mindestens 30 Prozent rezyklierte Gesteinskörnung enthält.
Letztes Jahr hat die Zementindustrie in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eine Definition „klimafreundlicher Zemente“ entwickelt, die Schwellenwerte für klimafreundliche Produkte festlegt.
Ottmar Walter: Die Definition war wichtig und richtig, schafft aber allein noch keine Nachfrage. Die deutsche Zementindustrie hat im Nachgang dazu ein eigenes CO₂-Label entwickelt, das den CO₂-Fußabdruck von Produkten im Markt einfach erkennbar und vergleichbar macht, um den Einsatz klimafreundlicher Zemente zu fördern. Und genau dieser Rahmen war wichtig, denn ohne wird natürlich auch die öffentliche Nachfrage sich in keiner Art und Weise verändern. Von daher ist es elementar, dass diese Definition jetzt hinterlegt ist und dass diese Definition mittel- und langfristig auch angewendet wird. Auf das neue Label des VDZ kann in Ausschreibungen Bezug genommen werden, damit die Verwendung CO₂-reduzierter Zemente beim Bauen zum Standard wird. Jetzt können die öffentliche Hand, aber auch private Bauprojekte von emissionsreduzierten Zementen und Betonen profitieren, etwa bei der Nachhaltigkeitszertifizierung oder bei der Gewährung von Fördermitteln.
Inwiefern ist die Kennzeichnung der nachhaltigen Produkte von Heidelberg Materials mit dem CO₂-Label des VDZ kompatibel?
Ottmar Walter: In den Gesprächen der Zementindustrie mit dem Wirtschaftsministerium hat man sich darauf verständigt, dass das Global Warming Potential (GWP) die Währung ist, die zählt. Dabei gelten Zemente, die ≤ 500 kg CO₂-Äquivalent pro Tonne Zement haben, als nachhaltige Zemente. Diese Lösung ist optimal, denn den GWP-Wert kennen unsere Kunden bereits aus den Umweltproduktdeklarationen (EPDs). Daher haben wir unser evoBuild-Portfolio genau darauf abgestimmt. Um keine Parallelwelt zu schaffen, erfüllen alle unsere evoBuild Zemente neben dem globalen Standard von 30 Prozent CO₂-Reduktion die Anforderungen an das GWP < 500 kg CO₂-Äquivalent pro Tonne Zement. Damit ist auch sichergestellt, dass unsere evoBuild-Zemente zur Herstellung von CO₂-reduziertem Beton geeignet sind, denn auch die Zement-Klassifizierung nach den Grünen Leitmärkten und die Bewertung nachhaltiger Betone nach dem CSC-System sind aufeinander abgestimmt. Aus diesem Grund erfüllen unsere evoBuild-Betone auch die Anforderungen des CSC. Ein weiterer großer Vorteil bei diesen externen und herstellerunabhängigen Labeln ist nicht nur die Transparenz, sondern auch die Anerkennung in der Gebäudezertifizierung. Die DGNB zum Beispiel erkennt das CSC System in ihrem Kriterienkatalog an, sodass evoBuild-Betone aus CSC zertifizierten Werken hier besonders punkten können.
Das CO₂-Labelsystem der deutschen Zementindustrie für Grüne Leitmärkte sieht ebenfalls mehrere Stufen vor. Die höchste erreichbare Stufe heißt Near Zero. Was hat es damit auf sich?
Ottmar Walter: Als „Near Zero“-Zemente gelten solche mit einem CO₂-Fußabdruck von weniger als 100 kg CO₂/t Zement. Diese letzte oder höchste Stufe kann nur erreicht werden, wenn CO₂ abgeschieden wird. Und genau dazu sind wir bereits in der Lage. Mit der Einführung unseres weltweit ersten Carbon Captured Net-Zero-Zements evoZero können wir einen Net-Zero Fußabdruck nachvollziehbar und transparent erreichen. Dadurch geben wir zukunftsorientierten Partnern in der Baubranche die Möglichkeit, eine bessere Zukunft zu gestalten. evoZero® Carbon Captured kann aus jedem europäischen Werk in der Nähe eines Kundenprojekts ausgeliefert werden. Dabei können die einzigartigen, in Brevik realisierten CO₂-Einsparungsattribute genutzt werden. Bei Lieferung weist das Produkt einen Net-Zero-Footprint auf. Als digitales Produkt ist evoZero letztendlich in jedem unserer deutschen Zementwerke verfügbar und das in einer Konstellation mit dem klassischen Bindemittel, das jeder Kunde zurzeit verwendet. In diesem Jahr werden wir mit der Auslieferung von evoZero starten.
Welche konkreten Meilensteine verfolgt Heidelberg Materials außerdem in den nächsten Jahren, um die Dekarbonisierung der Bauwirtschaft zu beschleunigen und welche Rolle spielt evoBuild dabei?
Ottmar Walter: Unsere Vision ist es, die gesamte Wertschöpfungskette der Bauwirtschaft weitgehend zu dekarbonisieren. Der weitere Ausbau der evoBuild-Produktlinie spielt dabei eine zentrale Rolle. Aktuell arbeiten wir beispielsweise an einer völlig neuen Klinkerrezeptur, welche insbesondere für den Fertigteilbereich von herausragender Bedeutung sein wird. Dieser Spezialklinker und die daraus hergestellten Zemente erreichen die im Fertigteilbereich notwendigen hohen Frühfestigkeiten bei 50 Prozent weniger CO₂-Emissionen im Vergleich zu einem klassischen Portlandzementklinker. So können auch im Marktsegment Fertigteile oder bei vergleichbaren Anwendungen, bei denen heute meist noch CEM I-Zemente zum Einsatz kommen, zukünftig diese CO₂-reduzierten Zemente eingesetzt werden. Ziel ist es also, dass wir zukünftig mit CO₂-reduzierten Zementen alle Anwendungsfälle abdecken können. Unsere Kunden werden durch die Zusammenarbeit mit uns in der Lage sein, die zukünftigen Anforderungen bis hin zu einem Net-Zero-Zement par excellence zu erfüllen.
Das Gespräch führten Conny Eck und Kevin Ballon
Grüne Leitmärkte
2024 hat die Zementindustrie im Rahmen eines Stakeholderprozesses des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eine Definition grüner Zemente entwickelt, die Schwellenwerte für klimafreundliche Produkte festlegt. „Die Definition allein schafft aber noch keine Nachfrage. Daher hat der VDZ ein freiwilliges CO₂-Label entwickelt, das den CO₂-Fußabdruck von Produkten im Markt einfach erkennbar und vergleichbar macht, um den Einsatz grüner Zemente zu fördern“, erklärt Christian Knell, Präsident des Vereins Deutscher Zementwerke (VDZ).
„Auf das neue Label des VDZ kann in Ausschreibungen Bezug genommen werden, damit die Verwendung CO₂-reduzierter Zemente beim Bauen zum Standard wird“, betont Knell. Um die Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten zu steigern, ist hier vor allem die öffentliche Hand gefragt – aber auch private Bauprojekte können von emissionsreduzierten Zementen und Betonen profitieren, etwa bei der Nachhaltigkeitszertifizierung oder bei der Gewährung von Fördermitteln.
Quelle: Verein Deutscher Zementwerke e.V. (VDZ)
Global Warming Potential (GWP)
Das Global Warming Potential (GWP), auf Deutsch „Treibhauspotenzial“, gibt das Erderwärmungspotenzial eines Produkts über einen gewissen Zeitraum an. Gemessen wird das GWP in kg CO₂-Äquivalent. Damit entspricht das GWP dem CO₂-Fußabdruck eines Produkts, auch Product Carbon Footprint (PCF) genannt. Da bei der Berechnung des GWPs alle mit der Herstellung des Produkts verbundenen CO₂-Emissionen (inkl. weiterer Treibhausgase) berücksichtigt werden, ist es die zentrale Kenngröße zur Bewertung CO₂-reduzierter Produkte.
CSC-System
Die CSC-Zertifizierung ist ein weltweites Zertifizierungssystem des Concrete Sustainability Council (CSC), das Aufschluss darüber gibt, inwieweit Unternehmen im Bereich Beton, Zement und Gesteinskörnung ökologisch, sozial und ökonomisch verantwortlich operieren. Mitglieder des CSC in Deutschland sind Unternehmen, Verbände, Zertifizierungsstellen und Institute. Systemhalter in Deutschland ist der Bundesverband der Deutschen Transportbetonindustrie e.V. (BTB), die Zertifizierung selbst erfolgt durch vom CSC unabhängige anerkannte Zertifizierungsstellen. Im Zertifizierungsprozess werden nicht nur die Rohstoffe und deren Herkunft beurteilt, sondern auch der Herstellungsprozess des Betons und dessen Auswirkungen auf das soziale und ökologische Umfeld. Im Rahmen der CSC-Zertifizierung gibt es auch ein „CO₂-Modul“ als Zusatzmodul zum CSC-Betonzertifikat.
Das CO₂-Modul ist eine Zertifizierung auf Produktebene, dessen Ziel es ist, Transparenz hinsichtlich der mit der Betonherstellung verbundenen Treibhausgasemissionen zu schaffen. Für die Einteilung CO₂-optimierter Betone sieht das CO₂-Modul die Level 1, 2, 3 und 4 vor. Um beispielsweise das Level 1 zu erreichen, muss ein Beton mindestens 30 % CO₂-Reduktion gegenüber dem Branchenreferenzwert des CSC aufweisen. Basis der Bewertung ist das Global Warming Potential (GWP) des Betons. Die Vorteile des CSC-Systems liegen vor allem darin, dass es einheitliche und transparente Berechnungsgrundlagen und Referenzwerte für Betonhersteller definiert und somit Vergleichbarkeit für die Anwender dieser Produkte sicherstellt.
Quelle: Informationszentrum Beton/Concrete Sustainability Council Hintegrundbericht CO₂-Modul




















